Psychotherapien der Depressionen sind im klinischen Alltag weniger wirksam als in klinischen Studien. Ein Grund könnte ein sogenannter Publikations-Bias sein, den ein Forscherteam jetzt in PLOS ONE (2015; doi: 10.1371/journal.pone.0137864) aufdeckt.

Zu einem Publikations-Bias kommt es, wenn bevorzugt klinische Studien publiziert werden, in denen die gewünschte Wirkung erzielt wurde, während Studien mit einem negativen Ausgang unter den Tisch fallen. Dies war in der Vergangenheit bei Medikamentenstudien zur Major-Depression häufig der Fall, wie der Psychiater Erick Turner von der Oregon Health & Science University vor sieben Jahren in einer einflussreichen Untersuchung belegen konnte: Damals fiel auf, dass die meisten Studien, in denen Medikamente nach Einschätzung der US-Arzneibehörde FDA keine oder eine fragliche Wirkung hatten, später nicht oder in einer vom Zulassungsantrag abweichenden „geschönten“ Version publiziert wurden. Diese Studie hat mit dazu beigetragen, dass alle Hersteller heute ihre Studien vor dem Beginn registrieren lassen und später auch dann publizieren müssen, wenn die Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprachen.

Das Problem einer selektiven Publikation von positiven Ergebnissen ist jedoch nicht auf Arzneimittelstudien beschränkt, wie Ellen Driessen von der Universität Utrecht und Mitarbeiter (darunter auch Turner) jetzt herausgefunden haben. Die Forscher recherchierten zunächst alle Studien zur Psychotherapie, die in den Jahren 1972 bis 2008 Zuschüsse von den U.S. National Institutes of Health erhalten hatten, dem größten Sponsor klinischer Studien (nicht nur) in der klinischen Psychologie. Die Forscher identifizierten 55 Studienprojekte, von denen 15 allerdings niemals die Ergebnisse veröffentlichten.

Die Forscher kontaktierten alle Projektleiter, um sich nach den Ergebnissen zu erkundigen. Sie stellten fest, das zwei Studien niemals begonnen wurden und dass 13 weitere nicht die erwünschten Ergebnisse erzielten. Driessen hat die Ergebnisse der nicht publizierten Studien in eine Meta-Analyse einfließen lassen. Die Effektstärke der Psychotherapien verminderte sich dadurch um 0,12 Standardabweichungen. Sie war damit in etwa um ein Viertel weniger wirksam, als die alleinige Analyse der publizierten Ergebnisse erwarten ließen.

Driessen betont, dass das keineswegs bedeutet, dass eine Psychotherapie bei einer Major-Depression nutzlos ist oder dass die Therapie weniger wirksam ist als eine medikamentöse Behandlung. Ein Vergleich der beiden Therapien sei nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen.

Die Studie reiht sich ein in Untersuchungen, die die Qualität von klinischen Studien im Bereich der Psychologie zunehmend infrage gestellt hat. Kürzlich stellte das „Reproducibility Project Psychology“ in Science (2015; doi: 10.1126/science.aac4716) ihre Ergebnisse zur Überprüfung psychologischer Experimente vor: In weniger als der Hälfte der Fälle konnten die publizierten Ergebnisse reproduziert werden.

 

Quelle: www.aerzteblatt.de
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